Fast seit ich hier bin, ist Wahlkampf. Die Schule hatte kaum begonnen, als die damalige Labor-Premierministerin Julia Gilliard Ende Januar den Wahltermin für den 14. September ankündigte. Ende Juni kam es zu einer Palastrevolution, sie wurde durch ihren Vorgänger Kevin Rudd (aus der gleichen Partei) ersetzt. Der Wahltermin war damit aufgeschoben (hier kann der Premierminister entscheiden, wann gewählt werden soll – endlos kann er den Termin aber nicht hinausschieben) und erst ein paar Wochen später wurde die Wahl auf den 7. September festgesetzt.
Es gibt hier wie in vielen Ländern zwei Kammern. Das Repräsentantenhaus (150 Sitze) wird in einem Majorzsystem gewählt. The winner takes all, oder fast. Brighton-le-sands zum Beispiel gehört zum Wahlbezirk Barton. Wer hier wohnt, wählt eine Kandidatin oder einen Kandidaten. Der Vertreter der Labor hatte heute Morgen 38 Stimmen Vorsprung. (Eine der acht Sitze, die in der Zeitung noch "undecided" sind.) Diese Stimmen sind aber nicht alle für ihn abgegeben worden, die kleinen Parteien, die in den Wahlen zum Repräsentantenhaus keine Chancen haben, geben Preferences ab. Wenn ich also zum Beispiel die Australian Sex Party wähle (die gibt es wirklich), kann es durchaus sein, dass meine Stimme am Schluss beim Labor-Kandidaten landet. (Hingegen enden die Stimmen für die Stable Population Party wohl eher bei den Liberalen / Nationalen).
Für die kleine Kammer, den Senat, ist das Ganze noch komplizierter. Die Einwohner von New South Wales wählen zwölf Senatoren. Man kann einer Partei die Stimme geben (above the line) oder man hat die Möglichkeit, sämtliche Kandidatinnen und Kandidaten durchzunummerieren (below the line): Nummer 1 möchte ich am liebsten, und so weiter. Gerade wenn die Zahl der Möchtegerne-Senatorinnen und Senatoren gross ist, etwas mühsam. Und auch hier gibt es wieder Preferences. Auch die grossen Parteien geben sie ab. Wenn einer ihrer Senatoren mehr als die nötigen Stimmen erhält, zählen diese Stimmen also eventuell für eine kleine Partei. Das hat zur Folge, dass Splittergruppen sehr wahrscheinlich im Senat besser vertreten sein werden als im Repräsentantenhaus.
Auf jeden Fall, das Ganze ist so kompliziert, dass niemand es durchschaut (für den Senat liegen die Zahlen noch nicht vor) und dass es schwierig ist, einzuschätzen, wer von der abgegebenen Stimme am Schluss wirklich profitiert.
Verloren hat die Wahl eine unbeliebte Partei mit einem beliebten Premierminister. Korruptionsskandale unter den Vertretern der "unions" und Machtkämpfe innerhalb der Partei haben zum schlechtesten Labor-Wahlergebnis seit der Grossen Depression geführt. Die Murdoch-Presse (Schlagzeile des Daily Telegraph: Kick this mob out) hat das ihre dazu beigetragen.
Der Wahlsieger, Tony Abbott: Nicht wirklich beliebt, schwierig einzuschätzen. Gerade im Bildungsbereich befürchtet man Sparmassnahmen, er will die Staatsverschuldung abbauen (im Vergleich mit europäischen Ländern nicht sehr hoch). Er hat eine Gabe, in Fettnäpfchen zu treten: er betont zum Beispiel den "sex appeal" einer Kandidatin, statt über ihre politische Einstellung zu sprechen. In Syrien kämpfen "baddies" gegen "baddies". Und zum Schluss, da kann man nur schwer widersprechen: "No man is the suppository of wisdom" (auf deutsch etwa: Kein Mensch ist das Zäpfchen der Weisheit). Das hat natürlich zu unzähligen Kommentaren über und unter der Gürtellinie geführt. Ganz erfrischend in einem Wahlkampf mit viel Verbal-Diarrhöe...
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