Dienstag, 29. Oktober 2013

Outback

Auf meiner Reise von Adelaide an der Küste Südaustraliens nach Darwin in den Northern Territories sind wir tagelang durch den Outback gereist.
Nördlich von Adelaide ist die Landschaft noch grün, wir durchqueren Claire Valley, ein Weingebiet nicht ganz so berühmt wie das nahegelegene Barossa. Später, nördlich von den Flinders Ranges, beginnt der Outback. Weite Teile davon sind wüstenartig. Wir übernachten zum Beispiel in einer Schaf-"station", Beltana, die konfortabelste Unterkunft auf der ganzen Reise. Die Farm ist ungefähr so gross wie der Kanton Zürich, deshalb ist es kein Wunder, dass wir von den Schafen und Kühen (etwa 8500 Stück) nichts sehen. Sie suchen schattigere Plätze, nicht unbedingt an den Strassen, lieber in der Nähe von einer der Wasserstellen.
Wir fragen, wie denn das Leben in dieser abgelegenen Gegend so aussieht. Nichts von abgelegen, sagt die Besitzerin, praktisch jeden Tag reisen Leute durch,  übernachten hier und erzählen von anderen Gegenden. Die Farm ist sehr aufwändig, schon nur die Tiere zu finden, ist oft nicht ganz einfach, und am Nachmittag ist im Sommer die Hitze zu gross für Arbeiten ausserhalb des Schattens, deshalb beginnt der Arbeitstag schon am frühen Morgen. Wunderbar das Abendessen auf Beltana, Schafsbraten vom Barbecue, schön der Sternenhimmel, kein Restlicht einer Stadt stört die Sicht auf die Milchstrasse, und ruhig die Nacht, kein Verkehr zu dieser Zeit.
Am nächsten Tag besichtigen wir einen Ockersteinbruch. Hier finden sich die verschiedensten Ockertöne, und die Aborigines sind früher von weit her hierhin gekommen, Ocker war wichtig für die Körperbemalung in verschiedenen Zeremonien und für die "rock art".
Später fahren wir am Südufer von Lake Eyre vorbei. Es ist der grösste der zahlreichen Salzseen im Innern Australiens, endlos erstreckt sich die weisse Fläche, und hier wurden in den sechziger Jahren die  Geschwindigkeits-rekorde von Landfahrzeugen gebrochen. Alle paar Jahre füllt er sich mit Wasser.
Inmitten der Wüste eine Quelle, ein halbes Dutzend Leute haben in diesem natürlichen Whirlpool Platz.
Riesige Süsswasser-vorkommen befinden sich in der östlichen Hälfte Australiens unter dem Boden. An einigen Stellen so nahe, dass sie leicht angebohrt werden können, und dann sprudelt das Wasser für Jahrzehnte.
Die nächste Nacht verbringen wir in Williams Creek, hier hat es nur ein halbes Dutzend ständige Einwohner. Ich hoffe, sie geraten nicht in Streit, es wäre schrecklich, wenn zum Beispiel zwei davon nicht mehr miteinander sprechen.
Die Strassen: der Highway ist komfortabel, aber sobald man ihn verlässt, kann es unbequem werden. Oft sind die Nebenpisten ungeteert. Alles ist gut, wenn sie in den letzten Monaten einmal präpariert wurden, aber stellenweise ist die Fahrt im Bus über die Wellbrettpisten doch sehr holprig, vor allem bei unerwarteten Löchern (deshalb der Name Schlaglöcher).
Mitten in der Wüste besuchen wir den Künstler Talk-Alf in seiner "Oase". Er arbeitet mit Talk oder Speckstein, und er zeigt uns auch, wie der weiche Stein zu Talkumpuder zerrieben werden kann. Alfs Name ist doppelsinnig, "he loves to talk". Viele seiner Steinskulpturen enthalten gemeisselte Buchstaben, und er interpretiert die Lettern des Alphabeths auf seine Weise. A für Adam, dem Mann. breitbeinig steht er in der Gegend. B für die Frau (wegen der Busenform), und so weiter durch das ganze ABC. Die Sonne ist ein O, eine Person, die die Sonne betrachtet ein P. Die Bahn der Sonne vom Horizont, wo sie aufgeht, zum entgegengesetzten Horizont, wo sie untergeht, ein S (und erst auf der Weiterfahrt im Bus frage ich mich, wieso sie dabei zweimal die Richtung ändert). Deshalb das Dollarzeichen (wieso das S durchgestrichen ist, kann ich nicht mehr rekonstruieren). W steht für Wellen und Wasser, wie zum Beispiel im englischen Wort "well" für Brunnen. "Welcome" (oder wel-kom, wie Alf es schreibt) ist zusammengesetzt aus "well" und "kom": K ist jemand, der die Sonne (O) anbetet, M sind die Berge im Hintergrund (zwei Gipfel). Wir sind nicht alle sechsundzwanzig Buchstaben durchgegangen, aber Alfs Philosophie ist ansteckend, und ich glaube, ich könnte die fehlenden Zeichen ergänzen (vor allem nach ein paar Stunden an der Sonne). Wir belächeln den Künstler ein wenig auf der Weiterfahrt, nach Jahren allein in der Wüste hat er sich seine eigene Welt erschaffen. Aber vielleicht bin ich manchmal auch ein kleiner Talk-Alf, kreiere einen Sinn, wo ich keinen sehe, und lege mir eine Geschichte zurecht.





























Morgenstimmung in Beltana Station






























Ockersteinbruch














Outback, Lake Eyre im Hintergrund

Dienstag, 22. Oktober 2013

Buschbrände

In den letzten Tagen hat das Feuer in der Umgebung von Sydney gewütet.
Eindrücklich zum Beispiel am Donnerstagabend: der halbe Himmel war schwarz wie vor einem Gewitter, und die Sonne war nur noch als glutroter Ball zu sehen. Und der Rauchgeruch verdrängt im Moment die Düfte der blühenden Frühlingsbäume (die Jacarandas mit ihrem Lila-Blütenschaum und andere Sträucher und Bäume in den verschiedensten Farben dominieren jetzt im Oktober das Bild der suburbs).
Wenn man Sydney verlässt, zum Beispiel auf der Fahrt nach Canberra oder ins Hunter Valley im Norden, bleiben die Vororte zurück und der landwirtschaftliche Teil, und schnell ist links und rechts nur bush zu sehen. Kein rechter Wald, eher so ähnlich wie die Macchia im Süden Europas, zum Teil genauso undurchdringlich. Die ersten weissen Besiedler brauchten zum Beispiel jahrelang, um einen Weg zu finden durch die Blue Mountains im Westen von Sydney mit ihren weglosen Schluchten. Auch auf den anderen Seiten ist die Grossstadt Sydney von bush umgeben: Kuring-gai im Norden, der grosse Nationalpark im Süden. Und nur im Osten ist Meer. Sogar in Sydney selbst, mit seinen vier Millionen Einwohnern (auf einer Fläche, die einem Viertel der Schweiz entspricht) finden sich bush-Oasen: die perfekte Stadt für bushwalker. Vorletzten Freitag bin ich zum Beispiel von Chatswood in Richtung Süden nach Gladesville gewandert, dem Lane Cove River entlang (der Weg würde weiterführen bis zum Hafen). Stellenweise vergass ich, dass ich mitten in der Grossstadt war.
Ein grosser Vorteil, das viele Grün, aber nach einem trockenen Winter und bei viel zu warmen Frühlingstemperaturen (über dreissig Grad) und bei stürmischen Winden auch ein Nachteil: ein Funken genügt, eine weggeworfene Zigarette, und Hektaren um Hektaren brennen. Das Feuer springt dann auch über Strassen und Häuser fallen ihm ebenfalls zum Opfer. In den Zeitungen die Diskussionen: wurde zu nahe am bush gebaut? Oder zu billig, mit gewissem Aufwand wäre es offenbar möglich, so zu bauen, dass die Häuser dem Feuer länger widerstehen? Genügen die Löschfahrzeuge und Helikopter oder hat man da am falschen Ort gespart?
In Kakadu, im Nationalpark im Norden Australiens, den ich im Oktober besuchte, folgt man der jahrtausendalten Technik der Aborigines mit ihren controlled fires. Beim Eindunkeln sahen wir die Feuerstrassen, die sich die Hügel emporschlängelten. Dabei werden genaue Regeln befolgt: kein Feuer, wenn der Wind zu stark ist, Schneisen, die verhindern, dass die Brände ausser Kontolle geraten. Alles nach dem Motto: Lieber viele kleine Brände als ein grosser. Die Folge: kaum Unterholz in den Parkwäldern. Die grossen Bäume sind feuerfest. Zum Teil brauchen die Pflanzen sogar das Feuer, damit ihre Samen überhaupt keimen können.
Hier im Südosten brennen gerade die grössten Bäume am besten. Dennoch versucht man in den letzten Jahren, mit kontrollierten Bränden die verheerenden Grossfeuer zu vermeiden. Es fehlt noch die Erfahrung, und in Einzelfällen hat man die Kontrolle über einen gelegten Brand verloren.

Heute hat es ein bisschen genieselt, das hilft, das Feuer einzudämmen, aber was es jetzt brauchen würde, sind ein paar Regentage.

Sonntag, 13. Oktober 2013

Ubirr

Ubirr liegt im Kakadu-Nationalpark in der Gegend von Darwin im Norden Australiens. Wir haben es auf meiner "Frühlings"-Reise besucht. Die Temperaturen waren tropisch, in dieser Gegend kann man nicht von den vertrauten Jahreszeiten sprechen, bald beginnen hier oben die feuchten Monate der Regenzeit mit Monsun.
In Ubirr sind die Rock-Art-Bilder der Aborigines besonders zahlreich und eindrücklich. Unter überhängenden Felsen, von der Witterung geschützt, wurde hier seit über vierzigtausend Jahre gemalt, wobei die meisten Bilder jünger sind, wohl um die zweitausend Jahre alt. Es beginnt in realistischem Stil, später wurden dann die zwei Phasen des Röntgenstils verwendet, Fische zum Beispiel wurden zuerst mit ihren Gräten dargestellt, danach sieht man auch Bilder, wo das Innenleben der dargestellten Tiere nicht mehr wahrheitsgetreu ist, sondern der Verzierung dient. Der letzte Stil ist die "contact art", wo die ersten Kolonisatoren abgebildet sind, meist mit den Händen in den Hosentaschen, mit klobigen Schuhen und pfeifenrauchend.
Es sind regelrechte Galerien hier unter den Felsen. Die "Menü"karte zeigt verschiedene Fische, Barramundi, Flusswelse, "cheeky mullets" mit halbabgetrenntem Kopf, daneben Wallabies, Schildkröten, Krokodile... in einer Ecke, etwas versteckt, ist auch die lokale Variante des Kamasutras zu finden. In dieser Galerie wurde auch übereinandergemalt und an einer Stelle sieht man die Umrisse von Händen in Ockerfarbe. Ein "Spiel"platz zum Ausprobieren von verschiedenen Stilen und Sujets. Andere Gemälde erzählen Geschichten, und sie gelten immer noch als "sacred sites", denn sie erklären in der Mythologie der Aborigines, wie das Land entstanden ist und oft enthalten sie auch eine Moral, "stiehl nicht die Jagdbeute deines Nachbarn, sonst geschieht Schlimmes" zum Beispiel.
An den unzugänglichsten Stellen sind die Bilder der Mimi, Geister, die durch kleinste Felsritzen dorthin gelangten, um sie zu malen. (Die prosaische Erklärung ist, dass hier früher ein hoher Baum stand, der das Malen erlaubte.) Ob das gute oder böse Geister waren, habe ich nicht herausgefunden, vielleicht ist das auch nicht so klar, auf jeden Fall sagt die Tradition, dass sie die Menschen dazu angestiftet haben, ebenfalls die Felsen zu bemalen an den zugänglicheren Stellen.
Mir gefallen die verschiedenen Rot- und Ockertöne der Bilder (eine Herausforderung für die Kameras) und die lebhaften Darstellungen. Die Landschaft hier ist ebenfalls eindrücklich, vom Gipfel des Hügels schweift der Blick über Wald, Schwemmlandschaften und das escarpment, diese Schichtstufe, die sich hier über Kilometer um Kilometer durch die Landschaft zieht bis weit in den Süden zur Kathrine Gorge (Schlucht) und Kakadu trennt von Arnhemland, einem abgelegenen Gebiet, wo die Aborigines immer noch ihren traditionellen Lebensstil pflegen können.






























Ein Aborigines-Jäger



"cheeky mullet"