Nach einer langen, langen Busfahrt von Coober Pedy nach Yulara, fast tausend Kilometer durch den Outback in das rote Herz Australiens, sehen wir endlich Uluru / Ayers Rock am Horizont. Mount Connor, der Berg, etwa zwei Stunden vorher, auch "Mount Fool-uru" genannt, weil viele Touristen ihn schon für Uluru halten, jedenfalls auf den ersten Blick, hat uns nicht genarrt – zu verschieden seine tischartige Form von den bekannten Bildern.
Am Sonnenuntergang am ersten Abend wäre ich der Masse von Uluru-Besuchern gerne entkommen, aber das Glas Champagner vor dem berühmten Panorama gehört zum Programm, die Mitreisenden verstehen schon nicht, warum ich den unzähligen Photo-Aufnahmen "X. vor Uluru" nicht noch eine weitere hinzufügen will. Der Reiseführer erinnert uns mehrmals daran, in regelmässigen Abständen Bilder vom Felsen zu schiessen, damit wir uns nachher vergewissern können, dass sich die Farben wirklich ändern. Ich nehme mir die Zeit, neben all dem Trubel auch hinzuschauen und kann den Wechsel der Töne schon jetzt sehen, nicht erst in den Aufnahmen.
Im Besucherzentrum finde ich in einem Interview mit einem der Aborigines eine Stelle, die meine Stimmung gut wiedergibt: Er wundert sich, dass sich die Besucher nur mit ihren Kameras beschäftigen, statt sich auf Uluru, ein wichtiger spiritueller Ort in der Tradition der lokalen Aborigines, einzulassen und etwas von seiner Kraft zu spüren.
Am übernächsten Morgen machen wir die Wanderung rund um Uluru (offenbar nehmen sich nur etwa ein Prozent der Besucher die Zeit dafür, die meisten kommen nur für den Sonnenuntergang und vielleicht für eine Fahrt um den "rock"). Ganz allein sind wir auch hier nicht, denn es ist empfehlenswert, loszugehen, bevor die Sonne am Mittag und Nachmittag unbarmherzig herunterbrennt. Aber die Leute verteilen sich auf dem Weg.
Am Anfang kommen wir an einer Stelle vorbei, wo sich im ausgehöhlten Felsen regelrechte Zimmer befinden: das Schulzimmer mit Ocker-Malereien, der Platz, wo die Alten gerne sassen. Ein wenig später führt der Weg in eine Schlucht im Felsen und ganz hinten eine Stelle mit Wasser, das ganze Jahr über, eine kleine Oase. Überlebenswichtig früher in dieser trockenen Gegend. Auf der gegenüberliegenden Seite hat es eine zweite Wasserstelle, und hier ist es ganz still, die meisten Besucher sparen sich diesen Umweg.
In den Stunden auf dem Weg um den Felsen wird die Sicht auf Uluru nie langweilig. Stellenweise sind abenteuerliche Erosionsformen zu sehen, dann sind die Wände wieder ganz glatt. Oft gehören auch Geschichten zu den Formationen, an einer Stelle trafen zum Beispiel die Speere ein Ungeheuer, das die Aborigines angriff. Und manchmal gleicht der ganze Berg einem grossen, schlafenden Tier, einem Elefanten vielleicht mit einer Haut aus Sandstein.
Es ist erstaunlich, wie viel Grün hier zu finden ist. Hier im Zentrum hat es generell mehr Vegetation als weiter südlich. Aber im Allgemeinen sind die Bäume zundertrocken und uralt (bis ihre Wurzeln in der Tiefe Wasser finden, braucht es Jahrzehnte). Die Landschaft am Fusse von Uluru gleicht stellenweise einem Garten, der Schatten des Felsens schützt offenbar vor der schlimmsten Austrocknung.
Der Aufstieg auf den Uluru ist nicht möglich wegen heftigen Winden auf dem Gipfel. Am Tag vorher haben wir die Kletterer im Gänsemarsch aufsteigen sehen, also attraktiv sah das nicht aus. Es ist ja sowieso etwas zwiespältig: Ausdrücklich verboten ist der Marsch auf Uluru eigentlich nicht, aber man erwartet eigentlich, dass die Besucher darauf verzichten... (es ist offenbar auch nicht ganz ungefährlich).
Nicht das einzige Paradox hier in der Gegend: es ist erwünscht, dass die Aborigines-Bezeichnung Uluru verwendet wird, nicht mehr den Namen, den die ersten Kolonisatoren dem Felsen gaben, Ayers Rock. Aber in Yulara, der Ortschaft in der Nähe, heisst ein Teil immer noch "Ayers Rock Resort", ohne jeden Hinweis auf den zweiten Namen.
Viel ist darüber geschrieben worden, wieso Uluru eine so grosse Anziehung auf die Touristen ausübt. Ein Grund ist sicher, dass es "the rock" ist, die platonische Idee eines Felsens in der Wüste. Für mich sind die Erosionsspuren ein wichtiger Teil der Faszination: Uluru wird noch in der Wüste stehen, wenn wir lange verschwunden sind, aber in den Jahrmillionen schleifen Wind und Wetter auch ihn ab und lassen ihn verschwinden. Ein bisschen wie in dem Märchen mit dem grossen Berg und dem Vögelchen, das alle hundert Jahre seinen Schnabel daran wetzt: Eines Tages ist der Berg ganz abgetragen, und dann ist die erste Sekunde der Ewigkeit vorbei.
Uluru – der Wechsel der Farben bei Sonnenuntergang: von ocker...
...zu rot.
Uluru: Spuren der Erosion
Eine der glatten Wände von Uluru
Wasserstelle am Fusse von Uluru
Uluru: Sonnenaufgang