Mittwoch, 19. Juni 2013

Verkehrte Welt

Hier unten ist ja schon einiges verkehrt, vor allem der Verkehr: Man fährt hier links, nicht rechts. Und das Überqueren einer Strasse ist jedesmal nicht ganz ungefährlich für mich als Kontinentaleuropäer, weil ich nach jahrzehntealter Gewohnheit immer zuerst auf die falsche Seite schaue.
Die Wirbelstürme drehen sich in umgekehrter Richtung, und auch der Abflusswirbel in der Badewanne und im Lavabo dreht umgekehrt (obwohl mir einmal ein Physiker gesagt hat, dass das für die Badewanne gar nicht unbedingt stimmt: kleine Störungen haben einen zu grossen Einfluss, und so hängt die Drehrichtung vom Zufall ab). Seltsamerweise muss man auch die meisten Schlüssel in der für uns verkehrten Richtung drehen...
Immerhin geht die Sonne im Osten auf und im Westen unter. Aber jetzt, wo es hier unten Winter ist (auch die Jahreszeiten sind verkehrt), ist der Sonnenaufgang im Nordosten und am Mittag steht die Sonne im Norden! Ganz ungewöhnlich für die Europäer – nur die Mitternachtssonne steht dort im Norden.
Um etwas Wärme zu tanken, reise ich deshalb in den Juliferien in den Norden, in Queensland ist immer noch 28 Grad (in Sydney haben wir nur noch 17 Grad) – das ist wie die Flucht aus dem winterlichen Europa ans Rote Meer.
Und wenn in der Schweiz Morgen ist, haben wir hier schon Abend. Heute und gestern geraten oft durcheinander. Wenn ich in der Pendlerzeitung am Nachmittag vom Resultat des Champions League-Finals heute lese, denke ich: Aber der war doch gestern! Das stimmt und stimmt nicht, denn er war am Abend des 25. Mai. Und da hatten wir in Australien schon fast die Hälfte des 26. Mai hinter uns. Verwirrlich, vor allem, wenn ich mit Leuten aus der Schweiz skype. Natürlich kann man ausrechnen, wieviel Uhr es im anderen Land jetzt ist, aber es bleibt doch schwer, es sich vorzustellen.
Nicht einmal der Mond hält sich an die gewohnten Regeln. Vor dem Neumond stand die Mondsichel am Morgenhimmel und formte frech ein Z (in Schnürchenschrift) für zunehmend, obwohl sie jeden Tag ein bisschen mehr abgenommen hatte. Und anfangs Woche der zunehmende Mond am Abendhimmel: das war doch ein A für abnehmend. Erst da beginne ich zu begreifen, dass ich wirklich, im Vergleich zu den Freunden, die in Europa geblieben sind, auf dem Kopf stehe.
Kein Wunder sind auch die Sternbilder anders. Markant das Kreuz des Südens, das die australische Fahne schmückt. Nach dem kleinen Wagen zu suchen, ist hier hoffnungslos, er steht unter dem Horizont. Ein paar bekannte Sternbilder sieht man zum Glück: Orion zum Beispiel jagt auch hier über den Nachthimmel. Und die Plejaden spielen als sieben Schwestern in der Aborigines-Mythologie eine wichtige Rolle.

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