Viele Tiere der australischen Fauna gibt es ja nur hier und sonst nirgends. Ein paar davon schmücken auch die australischen Dollar- und Centmünzen.
Auf der 50-Cent-Münze halten ein Känguru und ein Emu ein Wappenschild, und auch die Ein-Dollar-Münze zeigt einige Kängurus. In freier Wildbahn sah ich sie zum ersten Mal auf der Fahrt von Adelaide auf die Kangaroo Island am frühen Morgen in grossen Herden am Strassenrand grasen. Bei der Lodge auf der Insel konnte ich sie von Nahem beobachten beim Fressen, Angst hatten sie keine. Wenn sie ihre Position ein bisschen verändern wollen, sieht es seltsam aus, sie können ja nur hüpfen, dabei sind sie zum Beispiel auf der Flucht sehr schnell, aber für kleine Bewegungen wirkt es eigenartig. Am Morgen überraschte ich ein Känguru, das sich über den Zaun der Lodge gewagt hatte, auf unserer Seite war das Gras offenbar noch grüner. Ich weiss nicht, wer mehr erschrocken ist, es oder ich.
Die kleinen Geschwister der Kängurus, die Wallabies oder Zwergkängurus, sind auf Kangaroo Island auch zahlreich anzutreffen.
Auf der 20-Cent-Münze ist das Schnabeltier (platypus) dargestellt, in freier Wildbahn habe ich es noch nicht beobachtet, ich weiss nicht, in welchen Gegenden von Australien man es antreffen kann. Die Schnabeltiere haben die Biologen ja lange verwirrt, sie sind zwar Säugetiere, aber keine Plazentatiere wie die meisten anderen, und auch keine Beuteltiere wie Känguru und Koala, sondern sie legen Eier und auch mit ihrem Schnabel passen sie nicht in das übliche Schema.
Auf der 5-Cent-Münze, die kleinste von allen, hat sich ein Ameisenigel eingeigelt. Diese Tiere sind nicht etwa mit den europäischen Igeln verwandt, sondern mit den Schnabeltieren, wie diese legen sie Eier und ihre Schnauze ist auch eher schnabelförmig. Sie heissen auch Kloakentiere, weil sie nur eine Körperöffnung für Ausscheidungen und zur Fortpflanzung haben. Auch Ameisenigel konnten wir beobachten auf Kangaroo Island im Westen der Insel, ein grosser Nationalpark.
Die 10-Cent-Münze zeigt einen Lyrebird, versteckt hinter seinem Federkleid, lange habe ich gar nicht bemerkt, dass da ein Vogel dargestellt ist. Die Tochter meiner Austauschpartnerin hat kürzlich einen Lyrebird gesehen im Royal National Park, im Süden der Grossstadt Sydney. Das ist selten, die Vögel verstecken sich in der Regel sehr gut und sind schwierig zu beobachten. Sie ahmen andere Geräusche nach, Motorsägen zum Beispiel, im Zweiten Weltkrieg auf Papua Neuguinea anscheinend auch Gewehrsalven.
Wenn Australien einmal eine Fünf-Dollar-Münze einführt, sollte sie meiner Meinung nach einen Koala zeigen. Diese Beuteltiere sahen wir ebenfalls auf Kangaroo Island, die Fauna dort ist sehr vielseitig. Sie sind Einzelgänger, jeder von ihnen hockt alleine auf einem Eukalyptusbaum, schläft achtzehn Stunden im Tag, öffnet einmal das eine Auge, dann das andere und frisst ein paar Blätter. Sie sehen ja sehr kuschelig aus, aber man kommt ihnen offenbar lieber nicht zu nahe, dann können sie auch ihre Krallen zeigen.
In den nächsten zwei Wochen macht mein Blog eine Pause, ich habe Winterferien und reise in die australischen Tropen: Cairns, mit Abstechern in den Daintree Rainforest und aufs Great Barrier Reef, Airlie Beach mit einem kleinen Segeltörn zu den Whitsunday Islands und Noosa an der Sunshine Coast mit einem Ausflug auf Fraser Island.
Freitag, 28. Juni 2013
Mittwoch, 26. Juni 2013
Wie bei Harry Potter
Chatswood High School ist manchmal schon ein bisschen wie bei Harry Potter.
Ich steige zwar nicht an King's Cross in den Zug, sondern bei Town Hall, und die Nummer der "platform" endet nicht auf ein halb. Und dennoch gibt es viele Ähnlichkeiten:
Auch Chatswood ist in Häuser aufgeteilt, nur haben sie statt Gryffindor, Hufflepuff und so weiter viel prosaischere Namen: Fuller, Walsh, Hordern und Carr (ich glaube, das sind die Familien, denen das Schulgelände gehörte). Jedes Haus hat seine Farbe, und an den Swimming / Cross Country / Athletic Carnevals (so heissen die Sporttage hier) kleiden sich die Schülerinnen und Schüler in ihren Farben (nicht alle) und feuern die Athletinnen und Athleten ihres Hauses an. Da kann dann vorher schon eine Stunde ausfallen, damit sie ihre Rufe einüben können. Auch die Lehrerinnen und Lehrer sind in den Häusern (ich gehöre zu Hordern, ausser im Schwimmen haben sie noch nichts gewonnen...). Und wenn ein Schüler fragt, ob er das Haus wechseln kann, ist die Antwort: Nein, das ist wie bei Harry Potter, wenn der Hut entschieden hat, ist man für die ganze Schulzeit im selben Haus.
Dumbledore ist hier eine Frau und sitzt weit entfernt in ihrem Turmzimmer.
In den Knabentoiletten gurgelt es manchmal seltsam, es würde mich nicht wundern, wenn dort eines Tages ein Geist auftaucht.
Zu "Detention" verknurrt werden kann man hier auch (aber nicht in den "dungeons"). Bei vielen Klassen ist es nicht nötig, jemanden zu schicken, aber es gibt Schüler, die sind dauernd dort.
Das Schulgelände ist labyrinthisch, und immer wieder entdecke ich eine Abkürzung, die ich vorher nicht kannte, oder ein Kämmerchen mit muffigem Inhalt (ich hoffe nur, ich wecke keinen alten Fluch oder lasse aus Versehen einen Basilisken frei).
Hauselfen treffe ich ab und zu, wenn für uns Feierabend ist, bei ihrer Arbeit an. Viele übersehen sie, aber eines ist klar: Wären sie nicht da, könnte man den Schulbetrieb einstellen.
Quiddich wird an der Schule zwar nicht gespielt, aber andere, fast noch unverständlichere Sportarten: Australian Football (ähnlich wie American Football, nicht wie der europäisch Fussball Soccer), Rugby, im Sommer auch Cricket (weitherum mit Baseball verwandt): dauert endlos, auf nationaler Ebene drei Tage, und zu gewinnen gibt es dort die "ashes", eine Urne mit Asche, man weiss nicht genau, wovon (ein verbrannter "bat", ein Schläger?)
Die Schülerinnen und Schüler halten mich zum Teil für Hagrids Bruder, und auch ich bin mir manchmal nicht ganz im Klaren, was ich hier eigentlich unterrichte: Arithmantics, das Fach, das niemand so richtig versteht? Defense against the dark arts, wo kein Lehrer länger als ein Jahr bleibt?
Auf jeden Fall hoffe ich, dass ich noch nicht so weit bin wie dieser Lehrer, der nicht gemerkt hat, dass er verstorben ist, und nun als Geist weiterunterrichtet.
Und last but not least: Gegen die Dementoren (manchmal attackieren sie auch Lehrerinnen und Lehrer) hilft Schokolade wirklich, es muss nicht unbedingt schwarze sein, Toblerone ist auch ganz gut.
Ich steige zwar nicht an King's Cross in den Zug, sondern bei Town Hall, und die Nummer der "platform" endet nicht auf ein halb. Und dennoch gibt es viele Ähnlichkeiten:
Auch Chatswood ist in Häuser aufgeteilt, nur haben sie statt Gryffindor, Hufflepuff und so weiter viel prosaischere Namen: Fuller, Walsh, Hordern und Carr (ich glaube, das sind die Familien, denen das Schulgelände gehörte). Jedes Haus hat seine Farbe, und an den Swimming / Cross Country / Athletic Carnevals (so heissen die Sporttage hier) kleiden sich die Schülerinnen und Schüler in ihren Farben (nicht alle) und feuern die Athletinnen und Athleten ihres Hauses an. Da kann dann vorher schon eine Stunde ausfallen, damit sie ihre Rufe einüben können. Auch die Lehrerinnen und Lehrer sind in den Häusern (ich gehöre zu Hordern, ausser im Schwimmen haben sie noch nichts gewonnen...). Und wenn ein Schüler fragt, ob er das Haus wechseln kann, ist die Antwort: Nein, das ist wie bei Harry Potter, wenn der Hut entschieden hat, ist man für die ganze Schulzeit im selben Haus.
Dumbledore ist hier eine Frau und sitzt weit entfernt in ihrem Turmzimmer.
In den Knabentoiletten gurgelt es manchmal seltsam, es würde mich nicht wundern, wenn dort eines Tages ein Geist auftaucht.
Zu "Detention" verknurrt werden kann man hier auch (aber nicht in den "dungeons"). Bei vielen Klassen ist es nicht nötig, jemanden zu schicken, aber es gibt Schüler, die sind dauernd dort.
Das Schulgelände ist labyrinthisch, und immer wieder entdecke ich eine Abkürzung, die ich vorher nicht kannte, oder ein Kämmerchen mit muffigem Inhalt (ich hoffe nur, ich wecke keinen alten Fluch oder lasse aus Versehen einen Basilisken frei).
Hauselfen treffe ich ab und zu, wenn für uns Feierabend ist, bei ihrer Arbeit an. Viele übersehen sie, aber eines ist klar: Wären sie nicht da, könnte man den Schulbetrieb einstellen.
Quiddich wird an der Schule zwar nicht gespielt, aber andere, fast noch unverständlichere Sportarten: Australian Football (ähnlich wie American Football, nicht wie der europäisch Fussball Soccer), Rugby, im Sommer auch Cricket (weitherum mit Baseball verwandt): dauert endlos, auf nationaler Ebene drei Tage, und zu gewinnen gibt es dort die "ashes", eine Urne mit Asche, man weiss nicht genau, wovon (ein verbrannter "bat", ein Schläger?)
Die Schülerinnen und Schüler halten mich zum Teil für Hagrids Bruder, und auch ich bin mir manchmal nicht ganz im Klaren, was ich hier eigentlich unterrichte: Arithmantics, das Fach, das niemand so richtig versteht? Defense against the dark arts, wo kein Lehrer länger als ein Jahr bleibt?
Auf jeden Fall hoffe ich, dass ich noch nicht so weit bin wie dieser Lehrer, der nicht gemerkt hat, dass er verstorben ist, und nun als Geist weiterunterrichtet.
Und last but not least: Gegen die Dementoren (manchmal attackieren sie auch Lehrerinnen und Lehrer) hilft Schokolade wirklich, es muss nicht unbedingt schwarze sein, Toblerone ist auch ganz gut.
Freitag, 21. Juni 2013
Canberra
Vor hundert Jahren wurde der Platz gewählt, wo die neue Hauptstadt Australiens stehen sollte. Die Rivalität zwischen den beiden grössten Städten, Sydney und Melbourne, war zu gross, und deshalb entschied man sich für den Ort, wo heute Canberra liegt: zwischen den beiden Metropolen, näher bei Sydney zwar, und das Australian Capitol Territory ist ganz von New South Wales umgeben.
In den Aprilferien war ich für zwei Tage in der Hauptstadt. Böse Zungen behaupten hier in Sydney, Canberra besteht nur aus einem grossen Verkehrskreisel, das stimmt nicht, es sind zwei Kreisel.
Im Ernst: Canberra hat zwar grossartige Museen (ich besuchte das National Museum und die National Gallery of Australia), ein altes Parlament im Zuckerbäcker-Tortenstil und ein neues, ein überdimensionierter, künstlich begrünter Hügel, wo die Politiker im Innern tagen, schöne Spaziergänge dem künstlich aufgestauten See entlang, aber es fehlt das Städtische, die Strassen zum Flanieren, ganz Canberra wirkt wie ein ausgedehnter suburb.
Dass zum Beispiel jemand zu Fuss gehen möchte von der Station der coaches (der Überlandbusse) im Norden, wo auch viele Hotels sind, zum Parlament auf der Südseite des Sees, daran hat offenbar niemand gedacht. Es ist möglich, ich habe es gemacht, die Distanz ist nicht so gross, aber es ist nicht attraktiv, zum Teil folgte ich irgendeinem Trampelpfad entlang einem vielspurigen Highway mit geradezu unendlichem Verkehr, das wichtigste australische Fortbewegungsmittel wird dabei augenfällig (und mit der Zeit stechen seine Ausdünstungen auch in die Nase).
In den Aprilferien war ich für zwei Tage in der Hauptstadt. Böse Zungen behaupten hier in Sydney, Canberra besteht nur aus einem grossen Verkehrskreisel, das stimmt nicht, es sind zwei Kreisel.
Im Ernst: Canberra hat zwar grossartige Museen (ich besuchte das National Museum und die National Gallery of Australia), ein altes Parlament im Zuckerbäcker-Tortenstil und ein neues, ein überdimensionierter, künstlich begrünter Hügel, wo die Politiker im Innern tagen, schöne Spaziergänge dem künstlich aufgestauten See entlang, aber es fehlt das Städtische, die Strassen zum Flanieren, ganz Canberra wirkt wie ein ausgedehnter suburb.
Dass zum Beispiel jemand zu Fuss gehen möchte von der Station der coaches (der Überlandbusse) im Norden, wo auch viele Hotels sind, zum Parlament auf der Südseite des Sees, daran hat offenbar niemand gedacht. Es ist möglich, ich habe es gemacht, die Distanz ist nicht so gross, aber es ist nicht attraktiv, zum Teil folgte ich irgendeinem Trampelpfad entlang einem vielspurigen Highway mit geradezu unendlichem Verkehr, das wichtigste australische Fortbewegungsmittel wird dabei augenfällig (und mit der Zeit stechen seine Ausdünstungen auch in die Nase).
Mittwoch, 19. Juni 2013
Verkehrte Welt
Hier unten ist ja schon einiges verkehrt, vor allem der Verkehr: Man fährt hier links, nicht rechts. Und das Überqueren einer Strasse ist jedesmal nicht ganz ungefährlich für mich als Kontinentaleuropäer, weil ich nach jahrzehntealter Gewohnheit immer zuerst auf die falsche Seite schaue.
Die Wirbelstürme drehen sich in umgekehrter Richtung, und auch der Abflusswirbel in der Badewanne und im Lavabo dreht umgekehrt (obwohl mir einmal ein Physiker gesagt hat, dass das für die Badewanne gar nicht unbedingt stimmt: kleine Störungen haben einen zu grossen Einfluss, und so hängt die Drehrichtung vom Zufall ab). Seltsamerweise muss man auch die meisten Schlüssel in der für uns verkehrten Richtung drehen...
Immerhin geht die Sonne im Osten auf und im Westen unter. Aber jetzt, wo es hier unten Winter ist (auch die Jahreszeiten sind verkehrt), ist der Sonnenaufgang im Nordosten und am Mittag steht die Sonne im Norden! Ganz ungewöhnlich für die Europäer – nur die Mitternachtssonne steht dort im Norden.
Um etwas Wärme zu tanken, reise ich deshalb in den Juliferien in den Norden, in Queensland ist immer noch 28 Grad (in Sydney haben wir nur noch 17 Grad) – das ist wie die Flucht aus dem winterlichen Europa ans Rote Meer.
Und wenn in der Schweiz Morgen ist, haben wir hier schon Abend. Heute und gestern geraten oft durcheinander. Wenn ich in der Pendlerzeitung am Nachmittag vom Resultat des Champions League-Finals heute lese, denke ich: Aber der war doch gestern! Das stimmt und stimmt nicht, denn er war am Abend des 25. Mai. Und da hatten wir in Australien schon fast die Hälfte des 26. Mai hinter uns. Verwirrlich, vor allem, wenn ich mit Leuten aus der Schweiz skype. Natürlich kann man ausrechnen, wieviel Uhr es im anderen Land jetzt ist, aber es bleibt doch schwer, es sich vorzustellen.
Nicht einmal der Mond hält sich an die gewohnten Regeln. Vor dem Neumond stand die Mondsichel am Morgenhimmel und formte frech ein Z (in Schnürchenschrift) für zunehmend, obwohl sie jeden Tag ein bisschen mehr abgenommen hatte. Und anfangs Woche der zunehmende Mond am Abendhimmel: das war doch ein A für abnehmend. Erst da beginne ich zu begreifen, dass ich wirklich, im Vergleich zu den Freunden, die in Europa geblieben sind, auf dem Kopf stehe.
Kein Wunder sind auch die Sternbilder anders. Markant das Kreuz des Südens, das die australische Fahne schmückt. Nach dem kleinen Wagen zu suchen, ist hier hoffnungslos, er steht unter dem Horizont. Ein paar bekannte Sternbilder sieht man zum Glück: Orion zum Beispiel jagt auch hier über den Nachthimmel. Und die Plejaden spielen als sieben Schwestern in der Aborigines-Mythologie eine wichtige Rolle.
Die Wirbelstürme drehen sich in umgekehrter Richtung, und auch der Abflusswirbel in der Badewanne und im Lavabo dreht umgekehrt (obwohl mir einmal ein Physiker gesagt hat, dass das für die Badewanne gar nicht unbedingt stimmt: kleine Störungen haben einen zu grossen Einfluss, und so hängt die Drehrichtung vom Zufall ab). Seltsamerweise muss man auch die meisten Schlüssel in der für uns verkehrten Richtung drehen...
Immerhin geht die Sonne im Osten auf und im Westen unter. Aber jetzt, wo es hier unten Winter ist (auch die Jahreszeiten sind verkehrt), ist der Sonnenaufgang im Nordosten und am Mittag steht die Sonne im Norden! Ganz ungewöhnlich für die Europäer – nur die Mitternachtssonne steht dort im Norden.
Um etwas Wärme zu tanken, reise ich deshalb in den Juliferien in den Norden, in Queensland ist immer noch 28 Grad (in Sydney haben wir nur noch 17 Grad) – das ist wie die Flucht aus dem winterlichen Europa ans Rote Meer.
Und wenn in der Schweiz Morgen ist, haben wir hier schon Abend. Heute und gestern geraten oft durcheinander. Wenn ich in der Pendlerzeitung am Nachmittag vom Resultat des Champions League-Finals heute lese, denke ich: Aber der war doch gestern! Das stimmt und stimmt nicht, denn er war am Abend des 25. Mai. Und da hatten wir in Australien schon fast die Hälfte des 26. Mai hinter uns. Verwirrlich, vor allem, wenn ich mit Leuten aus der Schweiz skype. Natürlich kann man ausrechnen, wieviel Uhr es im anderen Land jetzt ist, aber es bleibt doch schwer, es sich vorzustellen.
Nicht einmal der Mond hält sich an die gewohnten Regeln. Vor dem Neumond stand die Mondsichel am Morgenhimmel und formte frech ein Z (in Schnürchenschrift) für zunehmend, obwohl sie jeden Tag ein bisschen mehr abgenommen hatte. Und anfangs Woche der zunehmende Mond am Abendhimmel: das war doch ein A für abnehmend. Erst da beginne ich zu begreifen, dass ich wirklich, im Vergleich zu den Freunden, die in Europa geblieben sind, auf dem Kopf stehe.
Kein Wunder sind auch die Sternbilder anders. Markant das Kreuz des Südens, das die australische Fahne schmückt. Nach dem kleinen Wagen zu suchen, ist hier hoffnungslos, er steht unter dem Horizont. Ein paar bekannte Sternbilder sieht man zum Glück: Orion zum Beispiel jagt auch hier über den Nachthimmel. Und die Plejaden spielen als sieben Schwestern in der Aborigines-Mythologie eine wichtige Rolle.
Donnerstag, 13. Juni 2013
England
Am Montag feierten wir Queen's birthday, ein offizieller Feiertag. Am Freitag habe ich die Schülerinnen und Schüler in der Lunchpause mit der Frage verwirrt, was sie denn der Queen schenken. Nur einer war schlagfertig und hat geantwortet, er ist zum Tee bei ihr eingeladen. (Sehr wahrscheinlich gibt es da die berühmten cucumber sandwiches mit abgeschnittenem Brotrand...)
Sehr praktisch und ein bisschen ungewöhnlich, dass die Queen jedes Jahr an einem Montag Geburtstag hat. Und es kommt noch seltsamer: in Neuseeland hat sie eine Woche früher Geburtstag. Und in Kanada offenbar schon im Mai –
Das Portrait von Elizabeth der Zweiten ist ja auf jeder australischen Münze zu sehen. Andererseits gibt es durchaus Leute, die nicht mehr möchten, dass sie das offizielle Staatsoberhaupt ist. Das letzte Referendum Ende der Neunziger Jahre über dieses Thema ist zwar gescheitert, aber die Frage kann jederzeit wieder aufs Tapet kommen. Meine Kolleginnen und Kollegen sagen, dass sie sehr wahrscheinlich australisches Staatsoberhaupt bleibt, solange sie lebt. Aber wie es nachher weitergeht mit Charles, ist nicht mehr so sicher.
Die Monarchisten haben gerade in den letzten Tagen viele Leserbriefe geschrieben und den Republikanern vorgeworfen, sie seien zwar gegen die Königin, würden den freien Tag aber trotzdem geniessen. Also in Basel habe ich auch nie jemanden getroffen, der aus politischen Gründen auf den arbeitsfreien Tag der Arbeit am 1. Mai verzichtet hat, wieso auch?
Die ganz Radikalen würden am liebsten das Commonwealth verlassen, aber das hat wenig Aussicht auf Erfolg. Ein weiteres Thema, das die Leute hier beschäftigt, ist die australische Fahne: Manche würden den Union Jack, der ein Viertel davon füllt, gerne entfernen und durch etwas anderes ersetzen. Aber durch was? Und schon fangen die Flügelkämpfe an.
Grundsätzlich ist die Bindung an das Mutterland immer noch eng, obwohl die Immigration in den letzten Jahrzehnten vor allem aus dem asiatischen Raum kam. Die beliebten Pies hier erinnern mehr an England als an die USA, die Pubs auch. Die Orthographie ist in der Regel englisch, nicht amerikanisch (colour, nicht color; centre, nicht center). Und nur der Dollar (statt das britische Pfund) erinnert an die Staaten. Politisch hat man sich seit dem zweiten Weltkrieg eher an den "Nachbarn" auf der anderen Seite des Pazifik ausgerichtet. Gerade am Anfang des Krieges war ja England genug mit Deutschland beschäftigt und konnte dem alten Verbündeten nicht viel helfen gegen die japanischen Truppen, die immer näher rückten (die nächsten Inselgruppen waren alle besetzt, Darwin im Norden wurde bombardiert).
Sehr praktisch und ein bisschen ungewöhnlich, dass die Queen jedes Jahr an einem Montag Geburtstag hat. Und es kommt noch seltsamer: in Neuseeland hat sie eine Woche früher Geburtstag. Und in Kanada offenbar schon im Mai –
Das Portrait von Elizabeth der Zweiten ist ja auf jeder australischen Münze zu sehen. Andererseits gibt es durchaus Leute, die nicht mehr möchten, dass sie das offizielle Staatsoberhaupt ist. Das letzte Referendum Ende der Neunziger Jahre über dieses Thema ist zwar gescheitert, aber die Frage kann jederzeit wieder aufs Tapet kommen. Meine Kolleginnen und Kollegen sagen, dass sie sehr wahrscheinlich australisches Staatsoberhaupt bleibt, solange sie lebt. Aber wie es nachher weitergeht mit Charles, ist nicht mehr so sicher.
Die Monarchisten haben gerade in den letzten Tagen viele Leserbriefe geschrieben und den Republikanern vorgeworfen, sie seien zwar gegen die Königin, würden den freien Tag aber trotzdem geniessen. Also in Basel habe ich auch nie jemanden getroffen, der aus politischen Gründen auf den arbeitsfreien Tag der Arbeit am 1. Mai verzichtet hat, wieso auch?
Die ganz Radikalen würden am liebsten das Commonwealth verlassen, aber das hat wenig Aussicht auf Erfolg. Ein weiteres Thema, das die Leute hier beschäftigt, ist die australische Fahne: Manche würden den Union Jack, der ein Viertel davon füllt, gerne entfernen und durch etwas anderes ersetzen. Aber durch was? Und schon fangen die Flügelkämpfe an.
Grundsätzlich ist die Bindung an das Mutterland immer noch eng, obwohl die Immigration in den letzten Jahrzehnten vor allem aus dem asiatischen Raum kam. Die beliebten Pies hier erinnern mehr an England als an die USA, die Pubs auch. Die Orthographie ist in der Regel englisch, nicht amerikanisch (colour, nicht color; centre, nicht center). Und nur der Dollar (statt das britische Pfund) erinnert an die Staaten. Politisch hat man sich seit dem zweiten Weltkrieg eher an den "Nachbarn" auf der anderen Seite des Pazifik ausgerichtet. Gerade am Anfang des Krieges war ja England genug mit Deutschland beschäftigt und konnte dem alten Verbündeten nicht viel helfen gegen die japanischen Truppen, die immer näher rückten (die nächsten Inselgruppen waren alle besetzt, Darwin im Norden wurde bombardiert).
Dienstag, 11. Juni 2013
Reportese
In den letzten fünf Wochen haben mich die Reports beschäftigt (vor allem an den Wochenenden). Für um die 150 Schülerinnen und Schüler musste ich einen Kommentar schreiben (etwa drei Sätze, circa 250 Buchstaben), und das Ganze in einer sehr formalen, entfernt mit dem Englischen verwandten Sprache – ich nenne es "Reportese". Manchmal muss man, ich gestehe es, auch etwas Schaum schlagen, um die Zeilen der Reports zu füllen. Da ist das Deutsche schon knapper: "...gibt sich und hat Mühe" zum Beispiel, da ist in vier Wörtern das Wesentliche gesagt.
Ein paar Übersetzungshilfen vom Reportese ins Deutsche:
"X is a polite student" – hat kürzlich "hello" gesagt
"very polite" – hat nach der Stunde sogar "thank you" gesagt
"well-mannered" – hat nicht mitgemacht, als die anderen mich mit Papierkugeln beworfen haben
"friendly" – hat neulich, als sie / er mich sah, ihren / seinen Mund von einer zwanzig-nach-acht in eine viertel-nach-neun-Position bewegt
"amiable" – leistungsmässig nicht gerade umwerfend, aber man muss sie / ihn einfach mögen
"inquisitive" – hat eine Frage gestellt, die ich nicht beantworten konnte
"outstanding" – ich hoffe, sie / er taucht nicht in ein paar Jahren hier an der Schule auf und nimmt mir den Job weg
"courteous" – ich kenne sie / ihn nicht
"diligent" – kommt mit Buch und Schreibzeug
"attentive" – hat einen Fehler von mir am whiteboard entdeckt
"X has achieved below his potential" – hat Löcher oder einen Knüppel, vielleicht auch den falschen Lehrer
"However, X is capable of more" – sollte sich endlich einmal in den Hinterteil klemmen
"However, X needs to put in a more consistent effort" – ihre / seine Leistungen sind Achterbahn gefahren
"By consolidating her / his area of weakness, arithmetic..." – niemand ist perfekt, wenn ich ganz ehrlich bin, nicht einmal wir Lehrer
"...by solving problems of varying difficulty..." – üben, üben, üben, und die schwierigen Aufgaben nicht einfach überspringen
"X needs to ask questions if she / he is finding the contents challenging" – sollte einmal den Mund auftun
"By continued effort and motivation X may improve his outcomes" – etwas Positives zum Schluss schadet nichts (vielleicht geht es ja auch abwärts, aber ich will nicht den Teufel an die Wand malen)
"Well done" – das sollte mir auch wieder einmal jemand sagen
Ein paar Übersetzungshilfen vom Reportese ins Deutsche:
"X is a polite student" – hat kürzlich "hello" gesagt
"very polite" – hat nach der Stunde sogar "thank you" gesagt
"well-mannered" – hat nicht mitgemacht, als die anderen mich mit Papierkugeln beworfen haben
"friendly" – hat neulich, als sie / er mich sah, ihren / seinen Mund von einer zwanzig-nach-acht in eine viertel-nach-neun-Position bewegt
"amiable" – leistungsmässig nicht gerade umwerfend, aber man muss sie / ihn einfach mögen
"inquisitive" – hat eine Frage gestellt, die ich nicht beantworten konnte
"outstanding" – ich hoffe, sie / er taucht nicht in ein paar Jahren hier an der Schule auf und nimmt mir den Job weg
"courteous" – ich kenne sie / ihn nicht
"diligent" – kommt mit Buch und Schreibzeug
"attentive" – hat einen Fehler von mir am whiteboard entdeckt
"X has achieved below his potential" – hat Löcher oder einen Knüppel, vielleicht auch den falschen Lehrer
"However, X is capable of more" – sollte sich endlich einmal in den Hinterteil klemmen
"However, X needs to put in a more consistent effort" – ihre / seine Leistungen sind Achterbahn gefahren
"By consolidating her / his area of weakness, arithmetic..." – niemand ist perfekt, wenn ich ganz ehrlich bin, nicht einmal wir Lehrer
"...by solving problems of varying difficulty..." – üben, üben, üben, und die schwierigen Aufgaben nicht einfach überspringen
"X needs to ask questions if she / he is finding the contents challenging" – sollte einmal den Mund auftun
"By continued effort and motivation X may improve his outcomes" – etwas Positives zum Schluss schadet nichts (vielleicht geht es ja auch abwärts, aber ich will nicht den Teufel an die Wand malen)
"Well done" – das sollte mir auch wieder einmal jemand sagen
Sonntag, 9. Juni 2013
Schweiz
An der Chatswood High School steht im staffroom auf der Schreibtisch-Ablage einer Kollegin ein melonengrosser Globus. Ich mache einen kleinen Test über die Geographie-Kenntnisse meiner australischen Kolleginnen und Kollegen: Wo ist die Schweiz auf dem Globus? Das meine Frage, und ein witziger Kollege antwortet: Es ist ganz einfach, sie zu finden, man sucht zuerst Liechtenstein, und da ist sie, links daneben. Und schon geht es weiter: Woher kennt er Liechtenstein? Da hat er sein Geld deponiert, und ein paar Tage später, als er sich wundert über seinen neuen, viel besseren Stundenplan, nehme ich den Faden wieder auf: Offenbar hat er das liechtensteinische Konto geplündert, um den head of departement zu bestechen... Und jemand von den australischen Lehrerinnen und Lehrern war schon in Liechtenstein, das kann ich von mir nicht behaupten, ich bin immer nur daran vorbei oder durchgefahren.
Auch die Schülerinnen und Schülern frage ich, was sie über die Schweiz wissen. Peter Bichsel hat ja in New York und an den unmöglichsten Orten Leute getroffen, die alle Bescheid wussten über die vier Sprachen, die in der Schweiz gesprochen werden, bis es ihm zum Halse heraushing. Hier unten weiss das niemand, schon dass ich mehr als zwei Sprachen spreche, ist für Australier ein Kuriosum. Viele sprechen nur Englisch, die Schülerinnen und Schüler aus Immigranten-familien dazu noch ihre Muttersprache (chinesisch, thai, vietnamesisch, koreanisch, armenisch, ein ganzes babylonisches Sprachgemisch kommt da zusammen).
Was ihnen zur Schweiz in den Sinn kommt: die Berge, die Schokolade, der Käse (riecht es in der Schweiz nach Käse, das eine Schülerfrage), die Banken, die Pharmazie, und ein paar von den Year7 können dann ihre Phantasie nicht mehr zügeln, die Schweiz ist das Land der Riesen (naheliegend, wenn sie mich sehen), der Feen (ich kenne nur die grüne Fee im Val de Travers) und der Einhörner (ein paar Nashörner kommen mir in den Sinn in Reservaten in Herrliberg und Umgebung, aber genug der Politik).
Die älteren haben in der Geschichte den Zweiten Weltkrieg durchgenommen und von der Neutralität der Schweiz gehört (die Genfer Konvention und das Rote Kreuz ist ihnen auch ein Begriff), und sie wissen, dass die Schweiz Flüchtlinge aufgenommen hat (dass andere abgewiesen wurden, ist ihnen unbekannt).
Auch die Schülerinnen und Schülern frage ich, was sie über die Schweiz wissen. Peter Bichsel hat ja in New York und an den unmöglichsten Orten Leute getroffen, die alle Bescheid wussten über die vier Sprachen, die in der Schweiz gesprochen werden, bis es ihm zum Halse heraushing. Hier unten weiss das niemand, schon dass ich mehr als zwei Sprachen spreche, ist für Australier ein Kuriosum. Viele sprechen nur Englisch, die Schülerinnen und Schüler aus Immigranten-familien dazu noch ihre Muttersprache (chinesisch, thai, vietnamesisch, koreanisch, armenisch, ein ganzes babylonisches Sprachgemisch kommt da zusammen).
Was ihnen zur Schweiz in den Sinn kommt: die Berge, die Schokolade, der Käse (riecht es in der Schweiz nach Käse, das eine Schülerfrage), die Banken, die Pharmazie, und ein paar von den Year7 können dann ihre Phantasie nicht mehr zügeln, die Schweiz ist das Land der Riesen (naheliegend, wenn sie mich sehen), der Feen (ich kenne nur die grüne Fee im Val de Travers) und der Einhörner (ein paar Nashörner kommen mir in den Sinn in Reservaten in Herrliberg und Umgebung, aber genug der Politik).
Die älteren haben in der Geschichte den Zweiten Weltkrieg durchgenommen und von der Neutralität der Schweiz gehört (die Genfer Konvention und das Rote Kreuz ist ihnen auch ein Begriff), und sie wissen, dass die Schweiz Flüchtlinge aufgenommen hat (dass andere abgewiesen wurden, ist ihnen unbekannt).
Freitag, 7. Juni 2013
Australien-Bücher
Ein paar Lektüre-Tipps:
Es gibt Leute, die reisen auf Chatwin's Spuren rund um die Welt. In seinem Australien-Buch beschreibt er, wenn ich mich richtig erinnere, vor allem das Herz von Australien, Alice Springs und Umgebung, das outback und die Traditionen und Mythen der Aborigines.
Kritiker bekritteln ja manches an diesem Buch: die Theorien über die Aborigines-Kultur seien nicht haltbar zum Beispiel. Die Aborigines haben ja ganz eine andere Vorstellung von der Welt und den Platz der Menschen in ihr, sehr schwierig zu verstehen meiner Ansicht nach. Ich habe "Songlines" als einer der möglichen Deutungsversuche gelesen für eine Kultur, die vielleicht gar nicht zugänglich ist für jemanden, der nicht damit aufgewachsen ist, und nicht als die allein richtige Interpretation – das hat die Lektüre spannend gemacht und mir einen Zugang geöffnet zum Beispiel für die Kunst der Aborigines.
Man sagt auch, Chatwin stelle sich selbst in seinem Buch in ein zu positives Licht und die anderen erscheinen zu negativ (ich warte auf den Autor, dem man das Gegenteil vorwirft...)
Und in der Gegend von Alice Springs gibt es immer noch viele Leute, die sich im Buch zu erkennen glaubten und deshalb beleidigt sind. In ein paar Jahrzehnten ist das kein Thema mehr, wenn man das Buch noch liest, und man ist stolz auf den Besucher von damals, und vielleicht stellt man sogar ein Chatwin-Denkmal auf.
"Down under" ("Frühstück mit Kängurus") von Bill Bryson (der aus Des Moins, USA, der als Jugendlicher nicht wusste, dass man auch Brot kaufen kann, das nicht schon in Scheiben geschnitten ist)
Ich mag die witzige Art, wie Bryson seine Reisen beschreibt. Ihm fallen ja ganz andere Dinge auf als Chatwin. Er interessiert sich zum Beispiel für die australischen Tiere. All diese extrem giftigen Quallen, Spinnen und Schlangen, dann die Kuriosa wie Schnabeltier und Ameisenigel, aber er kann auch in irgend ein abgelegenes Kaff reisen, weil das die einzige Stelle ist auf der Welt, wo es Riesen-Regenwürmer gibt. Auch die Besonderheiten der Pflanzenwelt beschreibt er sehr gut, es gibt ja Pflanzen, die kommen nur in der Gegend südlich von Perth vor und sonst nirgends.
"Liebesbrief an Mary" von Urs Widmer
Ich muss gestehen, die Story ist mir fast ganz entfallen, songlines spielen auch hier eine Rolle und ohne den australischen Hintergrund würde die Geschichte nicht funktionieren. Geblieben ist mir der unkonventionelle Gebrauch des Englischen: ich glaube, man versteht es nur, wenn man deutsch kann.
"The thorn birds" von Colleen McCullough
Ein literarisches Meisterwerk ist das ja nicht, aber es liest sich süffig, und das Thema, ein Priester im Konflikt zwischen den Ansprüchen der katholischen Kirche und seinen Gefühlen, ist eine dieser Geschichten, die immer wieder erzählt werden in gewandelter Form. Nach der Lektüre kann ich mir vorstellen, wie es aussieht auf einer australischen Farm, und habe Trockenzeiten, Buschfeuer und Regenzeiten miterlebt beim "Kino im Kopf".
Dienstag, 4. Juni 2013
Verhörer
Nach dem berühmten Vorbild der Freud'schen Versprecher kreiere ich hiermit die Hacke'schen Verhörer (nach Axel Hacke, der die besten im Buch "Der weisse Neger Wumbaba" und Fortsetzungen gesammelt hat – mit Illustrationen von Michael Sowa).
Dauernd verhöre ich mich hier. Schon bei der ersten Fahrt ins Stadtzentrum von Sydney wundere ich mich, dass in den Ansagen von einem runden Schlüssel, einem circular key, die Rede ist. Die Station heisst "Circular Quay" und ist wirklich eine Schlüsselstelle im Stadtverkehr: hier kann man von der metroähnlichen Vorortsbahn umsteigen auf die Fähren. Die Hafenbucht ist ja sehr gross mit all ihren Nebenbuchten, und je nach Ziel ist man mit der Fähre schneller dort als mit anderen Verkehrsmitteln.
An der Chatswood High School wird am Begrüssungstag für die neuen Schülerinnen und Schüler für die Musikabteilung ein Mister Meyrick auf die Bühne der hall gebeten. Es erscheint offensichtlich eine Frau. Ich denke schon, in der transgender-Frage ist man hier unten offener als in der konservativen Schweiz, und halb fühle ich mich schon wie in einem John Irving-Roman. Nachher stellt sich heraus, dass das Miss de Meyrick war.
Und ein ganz schlimmer Verhörer: beim montäglichen Morning Tea, eine Viertelstunde mit (zu)vielen Neuigkeiten, die man alle zur Kenntnis nehmen sollte, und zuwenig Tea, heisst es, eine Schülerin ist nächste Woche weg, man schickt sie ins death camp. Zum Glück stellt sich heraus, dass es sich um ein deaf camp, um ein Lager für Taube, handelt. Also wenn das so weitergeht mit mir und meinen Verhörern, senden sie mich ebenfalls dorthin.
Andererseits versteht man auch mich dauernd miss: Im RSL bestelle ich Cider (ich sehe an der Zapfsäule, dass es welchen hat) und sie verstehen Soda. Und im Café fragt die Barista mich, wie das Weekend war und ich erwähne die Reports, die ich im Moment zu schreiben habe. Sie versteht "poor" und macht sich schon Sorgen um meinen Gemütszustand.
Alte Verhörer: Im Police-Song habe ich jahrelang immer "I can't stand Lucy" verstanden (sozusagen als Antwort auf "Lucy in the sky with diamonts" von den Beatles), sie singen aber "I can't stand losing you". Und im Weihnachtslied "Oh, du fröhliche..." verstand ich als Kind immer "Freue dich, oh freue dich, oh Christ und Heid" (statt "Christenheit"). Aus welchen theologischen Gründen sich auch die Ungläubigen freuen sollten über die Geburt von Jesus, war mir alles andere als klar.
Das Zentrum von Chatswood morgens kurz vor acht Uhr
Dauernd verhöre ich mich hier. Schon bei der ersten Fahrt ins Stadtzentrum von Sydney wundere ich mich, dass in den Ansagen von einem runden Schlüssel, einem circular key, die Rede ist. Die Station heisst "Circular Quay" und ist wirklich eine Schlüsselstelle im Stadtverkehr: hier kann man von der metroähnlichen Vorortsbahn umsteigen auf die Fähren. Die Hafenbucht ist ja sehr gross mit all ihren Nebenbuchten, und je nach Ziel ist man mit der Fähre schneller dort als mit anderen Verkehrsmitteln.
An der Chatswood High School wird am Begrüssungstag für die neuen Schülerinnen und Schüler für die Musikabteilung ein Mister Meyrick auf die Bühne der hall gebeten. Es erscheint offensichtlich eine Frau. Ich denke schon, in der transgender-Frage ist man hier unten offener als in der konservativen Schweiz, und halb fühle ich mich schon wie in einem John Irving-Roman. Nachher stellt sich heraus, dass das Miss de Meyrick war.
Und ein ganz schlimmer Verhörer: beim montäglichen Morning Tea, eine Viertelstunde mit (zu)vielen Neuigkeiten, die man alle zur Kenntnis nehmen sollte, und zuwenig Tea, heisst es, eine Schülerin ist nächste Woche weg, man schickt sie ins death camp. Zum Glück stellt sich heraus, dass es sich um ein deaf camp, um ein Lager für Taube, handelt. Also wenn das so weitergeht mit mir und meinen Verhörern, senden sie mich ebenfalls dorthin.
Andererseits versteht man auch mich dauernd miss: Im RSL bestelle ich Cider (ich sehe an der Zapfsäule, dass es welchen hat) und sie verstehen Soda. Und im Café fragt die Barista mich, wie das Weekend war und ich erwähne die Reports, die ich im Moment zu schreiben habe. Sie versteht "poor" und macht sich schon Sorgen um meinen Gemütszustand.
Alte Verhörer: Im Police-Song habe ich jahrelang immer "I can't stand Lucy" verstanden (sozusagen als Antwort auf "Lucy in the sky with diamonts" von den Beatles), sie singen aber "I can't stand losing you". Und im Weihnachtslied "Oh, du fröhliche..." verstand ich als Kind immer "Freue dich, oh freue dich, oh Christ und Heid" (statt "Christenheit"). Aus welchen theologischen Gründen sich auch die Ungläubigen freuen sollten über die Geburt von Jesus, war mir alles andere als klar.
Das Zentrum von Chatswood morgens kurz vor acht Uhr
Montag, 3. Juni 2013
RSL
Vör lauter Freude über die wiedergefündenen Umlaute verwende ich sie neuerdings im Übermäss...
Hier in Brighton-le-sands ist in vielen Restaurants B. Y. O. angeschrieben, bring your own, das heisst, sie haben keine Lizenz zum Ausschenken von Alkohol und man kann mit einer Flasche Wein oder mit einem Sixpack kommen. Bars wie das Templum in Basel oder das Adriano's in Bern, wo man abends auch einmal ein Bier trinken kann, gibt es keine ausser den RSLs. Man muss Mitglied sein, um hineinzukommen, also eine Karte habe ich mir gleich nach der Ankunft machen lassen, es kostet nur fünf Dollar und gibt erst noch Rabatt auf den Getränken. Man könnte auch gamblen an den einarmigen Banditen, ein Trivia Quiz oder einen Karaoke-Abend gibt es glaube ich auch ab und zu.
Und erst mit der Zeit habe ich herausgefunden, dass RSL die (staatliche) "returned service league" ist, die Stelle, welche Kriegsveteranen betreut. Irgendwo in der Bar hat es eine Vitrine mit Erinnerungsgegenständen aus den beiden Weltkriegen, gleich daneben steht gross "Lest we forget". Wer hier also sein Geld verzockt oder sich unter den Tisch säuft, tut das wenigstens für einen guten Zweck.
Die eigene Kriegsvergangenheit ist hier wichtig, im April war Anzac day, ein staatlicher Feiertag. (Ich war auf Kangaroh island, denen ist das gleich.) Er erinnert an die Anzac, die australisch-neuseeländischen Truppen, die im ersten Weltkrieg auf der Seite der Ententenmächte kämpften und auf Gallipoli landeten, einer türkischen Halbinsel bei den Dardanellen, um dort zu Zehntausenden aufgerieben zu werden in einer Aktion, die vom militärstrategischen Standpunkt her anscheinend völlig sinnlos war. Wer "Birds without feathers" von Louis de Bernieres gelesen hat (die Vorgeschichte von "Captain Corelli's mandolin"), kennt die blutigen Details.
Hier in Brighton-le-sands ist in vielen Restaurants B. Y. O. angeschrieben, bring your own, das heisst, sie haben keine Lizenz zum Ausschenken von Alkohol und man kann mit einer Flasche Wein oder mit einem Sixpack kommen. Bars wie das Templum in Basel oder das Adriano's in Bern, wo man abends auch einmal ein Bier trinken kann, gibt es keine ausser den RSLs. Man muss Mitglied sein, um hineinzukommen, also eine Karte habe ich mir gleich nach der Ankunft machen lassen, es kostet nur fünf Dollar und gibt erst noch Rabatt auf den Getränken. Man könnte auch gamblen an den einarmigen Banditen, ein Trivia Quiz oder einen Karaoke-Abend gibt es glaube ich auch ab und zu.
Und erst mit der Zeit habe ich herausgefunden, dass RSL die (staatliche) "returned service league" ist, die Stelle, welche Kriegsveteranen betreut. Irgendwo in der Bar hat es eine Vitrine mit Erinnerungsgegenständen aus den beiden Weltkriegen, gleich daneben steht gross "Lest we forget". Wer hier also sein Geld verzockt oder sich unter den Tisch säuft, tut das wenigstens für einen guten Zweck.
Die eigene Kriegsvergangenheit ist hier wichtig, im April war Anzac day, ein staatlicher Feiertag. (Ich war auf Kangaroh island, denen ist das gleich.) Er erinnert an die Anzac, die australisch-neuseeländischen Truppen, die im ersten Weltkrieg auf der Seite der Ententenmächte kämpften und auf Gallipoli landeten, einer türkischen Halbinsel bei den Dardanellen, um dort zu Zehntausenden aufgerieben zu werden in einer Aktion, die vom militärstrategischen Standpunkt her anscheinend völlig sinnlos war. Wer "Birds without feathers" von Louis de Bernieres gelesen hat (die Vorgeschichte von "Captain Corelli's mandolin"), kennt die blutigen Details.
Samstag, 1. Juni 2013
Chinesisch
An der Chatswood high school hat es viele Schuelerinnen und Schueler mit asiatischen Wurzeln. Als ich ankam, musste ich mein Auge schulen fuer die Unterschiede in ihren Gesichtern, zuerst sahen alle gleich aus. Jetzt kann ich sie besser auseinanderhalten, aber ob jemand aus China kommt, aus Thailand, aus Vietnam oder aus Korea, ist fuer mich nicht immer ersichtlich. Die aus Korea sagen von sich selbst, sie seien die coolsten, und wenn ich sie frage, ob aus dem Norden oder dem Sueden, sind sie irritiert. (Natuerlich aus dem Sueden, der Norden erlaubt ja keine Auswanderung.)
Manchmal spielen sie auch die Rassismuskarte, wenn ich einen versetze, fragt er sofort: "Is it because I'm an asian?", manchmal reitet mich der Teufel und ich wuerde aus lauter Provokation am liebsten mit Ja antworten, aber das geht natuerlich nicht. Und wenn sich die einen beklagen, dass die anderen asiatische Lieder singen, muss ich erklaeren, dass das Singen von Liedern generell im Unterricht nicht erlaubt ist (ausser in der Musik...), ob asiatisch oder das australische "Walzing Mathilda", ist mir gleich.
Absurd wird es, wenn die einen behaupten, die anderen haetten mich auf chinesisch beschimpft. Erstens bin ich nicht sicher, ob sie die Wahrheit sagen, es gibt in dieser Klasse Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen. Zweitens, und wenn auch: Who cares? Kann man jemanden beleidigen in einer Sprache, die er nicht versteht?
(Im "Hitchhiker's guide to the galaxy" von Douglas Adams gibt es ja die umgekehrte Situation, wo eine harmlose Bemerkung in die falsche Ohren kommt, und in der anderen Sprache ist es die schlimmstmoegliche Beleidigung. Das fuehrt fast zu einem intergalaktischen Vernichtungskrieg.)
Wenn es mir zu bunt wird, werde ich den betreffenden Schuelerinnen und Schuelern halt auf berndeutsch sagen, was sie fuer schafseelengute Menschen sind, und auf dem Heimweg summe ich dann "E Loeu, e bloede Siech, e Gluenggi und e Suermu – oder Schimpfwoerter sy Glueckssach" von Mani Matter.
P. S. Die Umlaute und Sonderzeichen sind gefunden, aber es gibt ein Problem: es ist nicht sicher, ob sie auf allen Systemen richtig erscheinen. Deshalb hier ein Test:
Bär, Röhre, Süden, égalité, garçon: ich bitte um Feedback, wenn die verwendeten Sonderzeichen nicht mehr lesbar sind
Hier bin ich zuhause:
Manchmal spielen sie auch die Rassismuskarte, wenn ich einen versetze, fragt er sofort: "Is it because I'm an asian?", manchmal reitet mich der Teufel und ich wuerde aus lauter Provokation am liebsten mit Ja antworten, aber das geht natuerlich nicht. Und wenn sich die einen beklagen, dass die anderen asiatische Lieder singen, muss ich erklaeren, dass das Singen von Liedern generell im Unterricht nicht erlaubt ist (ausser in der Musik...), ob asiatisch oder das australische "Walzing Mathilda", ist mir gleich.
Absurd wird es, wenn die einen behaupten, die anderen haetten mich auf chinesisch beschimpft. Erstens bin ich nicht sicher, ob sie die Wahrheit sagen, es gibt in dieser Klasse Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen. Zweitens, und wenn auch: Who cares? Kann man jemanden beleidigen in einer Sprache, die er nicht versteht?
(Im "Hitchhiker's guide to the galaxy" von Douglas Adams gibt es ja die umgekehrte Situation, wo eine harmlose Bemerkung in die falsche Ohren kommt, und in der anderen Sprache ist es die schlimmstmoegliche Beleidigung. Das fuehrt fast zu einem intergalaktischen Vernichtungskrieg.)
Wenn es mir zu bunt wird, werde ich den betreffenden Schuelerinnen und Schuelern halt auf berndeutsch sagen, was sie fuer schafseelengute Menschen sind, und auf dem Heimweg summe ich dann "E Loeu, e bloede Siech, e Gluenggi und e Suermu – oder Schimpfwoerter sy Glueckssach" von Mani Matter.
P. S. Die Umlaute und Sonderzeichen sind gefunden, aber es gibt ein Problem: es ist nicht sicher, ob sie auf allen Systemen richtig erscheinen. Deshalb hier ein Test:
Bär, Röhre, Süden, égalité, garçon: ich bitte um Feedback, wenn die verwendeten Sonderzeichen nicht mehr lesbar sind
Hier bin ich zuhause:
Ueberraschungen
Vor ein paar Tagen habe ich Toblerone mitgenommen in die Fruehmorgenklasse: ich habe nur alle vierzehn Tage eine, sie beginnt um zehn vor acht (am Gymnasium Oberwil ist das ja die gewoehnliche Startzeit), aber hier ist das frueh und kann nur den letzten Jahrgaengen zugemutet werden. Die Schuelerinnen und Schueler sind noch im Halbschlaf, und der Zuckerkick hat sie das letzte Mal wach gemacht.
Der Supermarkt Coles verkauft Toblerone, viele kennen diese Schweizer Schokolade also schon, ich zeige ihnen das Matterhorn auf der Packung, und sofort erkennt einer der Schueler in der Bergsilhouette einen Baeren (und bei genauerem Hinsehen entdecken wir auch einen kleinen Fisch). In der Schweiz ist mir das noch nie aufgefallen.
In Brighton-le-sands hat es asiatische Restaurants, griechische, italienische und vis-a-vis auch ein franzoesisches Lokal. Man bekommt einen Pernod zum Aperitiv und einen Cognac zum Digestiv, die Kueche ist schon ein bisschen australisiert und der garcon spricht italienisch, nicht franzoesisch. Es heisst Larousse, mir kommt sofort der "Petit Larousse" in den Sinn, der beruehmte franzoesische Dictionnaire. Wir haben uns ja immer gefragt, was der "Grand Larousse" ist, schon der "Petit" ist ja kein Leichtgewicht. Ich frage die patronne, woher der Name kommt. Sie sagt, "Larousse" ist doch diese bekannte Enzyklopaedie, wo man alles nachlesen kann ueber Gastronomie. Das war mir neu und es stimmt, ich habe es nachgegoogelt. Wie ich Frankreich kenne, ist fuer viele dort der "Larousse gastronomique" der "Grand Larousse".
P. S. Die Umlaute habe ich noch immer nicht gefunden im "Blogger", geschweige denn franzoesische Sonderzeichen...
Der Supermarkt Coles verkauft Toblerone, viele kennen diese Schweizer Schokolade also schon, ich zeige ihnen das Matterhorn auf der Packung, und sofort erkennt einer der Schueler in der Bergsilhouette einen Baeren (und bei genauerem Hinsehen entdecken wir auch einen kleinen Fisch). In der Schweiz ist mir das noch nie aufgefallen.
In Brighton-le-sands hat es asiatische Restaurants, griechische, italienische und vis-a-vis auch ein franzoesisches Lokal. Man bekommt einen Pernod zum Aperitiv und einen Cognac zum Digestiv, die Kueche ist schon ein bisschen australisiert und der garcon spricht italienisch, nicht franzoesisch. Es heisst Larousse, mir kommt sofort der "Petit Larousse" in den Sinn, der beruehmte franzoesische Dictionnaire. Wir haben uns ja immer gefragt, was der "Grand Larousse" ist, schon der "Petit" ist ja kein Leichtgewicht. Ich frage die patronne, woher der Name kommt. Sie sagt, "Larousse" ist doch diese bekannte Enzyklopaedie, wo man alles nachlesen kann ueber Gastronomie. Das war mir neu und es stimmt, ich habe es nachgegoogelt. Wie ich Frankreich kenne, ist fuer viele dort der "Larousse gastronomique" der "Grand Larousse".
P. S. Die Umlaute habe ich noch immer nicht gefunden im "Blogger", geschweige denn franzoesische Sonderzeichen...
Abonnieren
Posts (Atom)